Bindungsangst und Verlustangst überwinden

Was ist Bindungsangst überhaupt?

Bindungsangst bedeutet keine Nähe zulassen zu können. Menschen mit dieser Angst befürchten verletzt zu werden wenn jemand emotional zu wichtig für sie wird.

 

Daher vermeiden sie es von vornherein eine zu feste Bindung zu jemandem aufzubauen und halten alle Personen gefühlt „auf Armeslänge“ von sich entfernt.

Dazu gehört nicht nur das Vermeiden einer festen Partnerschaft.

Bei Menschen mit ausgeprägter Bindungsangst zeigt sie sich auch in anderen sozialen Beziehungen: Freundschaften, Arbeitsbeziehungen und Familie. Gleichzeitig bedeutet es nicht, dass jemand mit Bindungsangst keine feste Beziehung eingeht.

Diese Beziehungen „stecken“ nach einer Zeit irgendwie „fest“, sie entwickeln sich nicht weiter, es mangelt oft an Tiefgang und echter Intimität. Außerdem sind sie oft von extremen Schwankungen zwischen Nähe und Distanz geprägt. Nach Momenten der Nähe entsteht plötzlich ein extremer Streit, der beide Partner extrem voneinander distanziert.
Doch auch nicht jeder Mensch, der in keiner festen Partnerschaft lebt hat automatisch ein Bindungsproblem.

Angst vor Ablehnung und Verlustangst - die zwei Aspekte

Bei der Angst vor Nähe gibt es zwei Aspekte, die in Kombination oder alleine auftreten können:  
Hinter der Bindungsangst kann zum einen die Angst stehen von anderen abgelehnt zu werden. Betroffenen haben eine extreme Befürchtung dass der Partner sie ablehnt, negativ bewertet oder verlässt wenn sie sich so zeigen wie sie wirklich sind. Die Angst ist so groß, dass sie unterbewusst lieber das vermeintlich kleinere Übel wählen für immer alleine zu bleiben.


Der zweite Punkt kann die Angst vor dem Verlust der geliebten Person sein und die Frucht diesen Verlust nicht zu überleben. Jeder Mensch weiß, dass es keine hundertprozentige Sicherheit gibt. Der Partner kann sterben oder man kann sich trennen. Auch aus diesem Grund entscheiden sich Bindungsängstliche lieber dafür sich gar nicht erst zu öffnen und niemanden emotional so wichtig für sie werden zu lassen – ein hoher Preis.

Wie du Beziehungsangst erkennst

Bei sich selbst ein Bindungsproblem zu erkennen ist nicht leicht und braucht einen hohen Grad an Selbstreflektion und Bewusstsein. Denn sie läuft unterbewusst ab und die Gründe aus denen die Betreffenden sich distanzieren fühlen sich für sie selbst absolut begründet und rational an. Sie denken und fühlen dass es wirklich an der anderen Person liegt und nicht an ihnen selbst.

Ein Hinweis können daher immer wiederkehrende Muster sein:

 

Mögliche Muster

  1. Wünschst du dir auf der einen Seite einen Partner, findest dann jedoch bei jedem potenziellen Kandidaten einen Fehler wie beispielsweise: Job nicht angemessen, zu anhänglich, zu bemüht, nicht attraktiv genug, Nase passt nicht, Gesichtsausdruck zu „dumm“... ?
  2. Fühlst du dich eingeengt sobald eine Beziehung näher wird und willst ausbrechen oder brichst einen sinnlosen Streit vom Zaun?
  3. Verliebst du dich wiederholt in Personen, die auf irgendeine Weise nicht zu haben sind? Entweder weil sie vielleicht selbst keine Nähe zulassen können oder noch am Expartner hängen, bereits vergeben sind oder aus gesellschaftlichen Gründen Tabu sind wie Freunde der Eltern, Vorgesetzte oder Lehrer?
  4. Hast du eine Schwäche für Personen, die in irgendeiner Art von Sucht gefangen sind? (Arbeitssucht, Drogen, Alkohol...)
  5. Lebst du zwar in einer Beziehung, die von ständigen Krisen und starkem Auf und Ab geprägt ist und On-Off-Charakter hat?
  6. Provozierst du Streit aufgrund von Kleinigkeiten um Distanz zu schaffen?
  7. Hast du bereits einmal jemanden abgeleht weil er irgendwie „zu nett“ war?
  8. Gerätst du immer wieder an Personen, die sich nicht einlassen können? Und „läufst“ ihnen hinterher weil du hoffst dass es doch noch etwas werden könnte?
  9. Verliebst du dich schnell und hast früh Sex weil es sich so intensiv anfühlt und du denkst dieses Mal ist es der/die Richtige nur um dann wieder enttäuscht zu werden?

Auch wenn es nicht so klingt sind die letzten beiden Punkte ebenfalls Anzeichen für Bindungsangst. Es ist nicht gesund sich immer wieder in Menschen zu verlieben, mit denen es nicht klappen kann. Ebenso ist es kein Zeichen von Beziehungsfähigkeit direkt von 0 auf 100 mit einer Person zu springen, die man erst kurz kennt. Echte Gefühle und Intimität bauen sich nur über die Zeit auf können nicht beschleunigt oder übersprungen werden.

Wie entsteht die Angst vor Nähe?

Die Ursachen hierfür liegen in der Kindheit, daher sitzt sie auch so tief. Betroffene haben manchmal selbst keine sichere Bindung zur Mutter oder zum Vater erfahren. So haben sie nie gelernt wie sich eine gesunde Bindung anfühlt. Auch ein plötzlicher Verlust eines geliebten Menschen kann die Angst davor auslösen dies noch einmal durchleben zu müssen. Oder sie haben nicht gelernt gesunde Grenzen zu setzen und fürchten daher, sich selbst in einer Partnerschaft zu verlieren.

Einen gewissen Grad an Angst sich einzulassen hat jeder Mensch. Das ist nicht unbedingt gestört. Wie immer macht es das Maß aus: alles Extreme ist ungesund, und speziell dann wenn dadurch verhindert wird, dass man die ersehnte glückliche Beziehung erreicht.

Wie du Bindungsangst überwindest

Bindungsangst zu überwinden erfordert tiefe Arbeit an sich selbst und kann oft nur mit Begleitung eines Coaches oder Therapeuten gelingen. Denn die Sabotagemechanismen  sind nicht bewusst und lösen solche intensiven Gefühle aus, dass es manchmal schwer ist alleine herauszukommen. Zur Aufdeckung und Bearbeitung benötigt es ein gewisses Feedback von Außen. Gewisse Techniken wie EMDR aus der Traumatherapie und Systemaufstellungen sowie Timeline-Arbeit aus dem NLP haben sich bewährt.

Was du jedoch alleine tun kannst:

  1. Wenn die Angst hochkommt reflektiere immer wieder: vor was genau hast du Angst? Ist diese Angst wirklich begründet? Wenn du deinen Partner abwerten oder wegstoßen möchtest, frage dich: ist das was er/sie getan hat wirklich so schlimm? Ist es zum Wohle der Beziehung oder wirst du es später bereuen? Informiere deinen Partner stattdessen dass du jetzt etwas Zeit für dich benötigst und ziehe dich zurück um einen klaren Kopf zu bekommen.
  2. Wenn du Single bist und einen potenziellen Partner wegen geringfügigen Fehlern abwerten willst, frage dich: Ist das wirklich ein Kriterium für eine langfristige glückliche Beziehung? Habe ich eine endlose Liste an Ausschlussgründen, die kein Mensch jemals erfüllen kann? Was davon kann ich loslassen?
  3. Lerne gesunde Grenzen zu setzen und Nein zu sagen da wo du es brauchst.
  4. Wenn du Single bist und das Muster hast die Dinge zu schnell zu intensiv werden zu lassen: lass es bewusst langsam angehen, bremse dich und die andere Person. Lernt euch über längere Zeit kennen und baut nach und nach emotional und körperliche Intimität auf.
  5. Übe Schritt für Schritt mehr Nähe zulassen. Mache dir hierbei ganz bewusst dass es sich unangenehm anfühlen wird weil du aus deiner Gewohnheit ausbrichst, die dir Sicherheit gegeben hat. Fordere dich selbst heraus und sieh es als Weiterentwicklung.
  6. Erinnere dich in unangenehmen Situationen immer wieder daran, dass du von niemandem abhängig bist und niemandem ausgeliefert bist. Du kannst jederzeit für dich selbst sorgen und bestimmen.

Mit jeder neuen Stufe an Intimität wird die Bindungsangst wieder erneut getriggert. Das ist normal. Betroffene müssen sich ihr erneut stellen, doch es wird leichter. Da die positiven Erfahrungen der vorherigen Stufen Sicherheit geben können, dass die Angst unbegründet ist. Zögere jedoch nicht dir Unterstützung durch einen Coach oder Therapeuten zu holen.

Von Caroline Höchtl, www.coaching-fuer-frauen-muenchen.de